5. C-B-R Tourismus Symposium 2002
Konzept 5. CBR-Tourismussymposium 2002, „Tourismus morgen – Individualisierung oder Luxus pur?“


Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass wir einen wirklichen Wandel des Reisens erleben. Reisen ist nicht mehr gleich Reisen. Der eine Reisemarkt ist der Massen- (oder Pauschal-) Tourismus, den wir alle seit vielen Jahren kennen. Der andere, neue Reisemarkt, der seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der des Reisen mit ausgeprägter individualistischer Note. Man kann ihn „Qualitäts¬tourismus“ oder „postmodernen Tourismus“ nennen oder „Luxustourismus“. Ganz im Sinne der modernen Dienstleistungsphilosophien geht es darum, die individuellen Wünsche von Reiselustigen oder -hungrigen Menschen auf möglichst einzigartige Art und Weise zu erfüllen.

Für die Entwicklung dieses neuen Reisemarktes gibt es mehrere Faktoren: Hintergrund ist einmal die zunehmende Reiseerfahrung der Deutschen (und der Angehörigen anderer wohlhabender Industrienationen). Wer schon alles gehabt und alles (oder jedenfalls vieles) gesehen hat, sehnt sich nach neuartigen, ungewöhnlichen, verblüffenden, einzigartigen Reise- und Urlaubsangeboten. Der andere Hinter¬grund ist eine Gesellschaft, für die wahrscheinlich nicht zu Unrecht der Begriff der Erlebnisgesellschaft und der Erlebnisökonomie geprägt wurde: Mehr und mehr stellt sich die Wirtschaft allgemein, und besonders die Freizeit- und Tourismuswirtschaft auf einen neuen Typus von Mensch ein, der nicht mehr nur Konsumprodukte oder Dienstleistungen nachfragt, sondern eindrucksvolle und einprägsame „Erlebnisse“. Um sie zu bekommen ist er bereit ist, viel zu bezahlen. Der durch politische, ökonomische und ökologische Gefahren verunsicherte Mensch im Dritten Jahrtausend ist auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, den er im Projekt des „Schönen Lebens“ (Schulze) in Freizeit- und Urlaubsangeboten findet.

Der dritte Hintergrund ist ein im Kern altbekannter: Reisen und Urlaub war schon früher ein Mittel, sich in der sozialen Rangordnung abzusetzen; offensichtlich beginnt der Urlaub wieder neu ein Mittel sozialen Prestiges zu werden. Um sich von anderen zu unterscheiden, sind neue Reiseformen und -inhalte offenbar gut geeignet (bestes Beispiel dafür ist der Weltraumtourismus, der eben nur wenigen möglich ist, ein anderes Beispiel die neuen teuren Luxushotels etwa auf der arabischen Halbinsel).

Vieles spricht dafür, dass sich der Reise- und Urlaubsmarkt aufgespalten hat und immer deutliche zwei Märkte nebeneinander existieren. Vieles lässt die Schlussfolgerung zu, dass das Spektrum der neuen Angebote des individualisierten, luxuriösen Reisens nicht nur eine Variante des traditionellen Urlaubsangebotes ist, sondern eine grundsätzlich andere Art: Während es beim herkömmlichen Urlaubmachen um günstige Angebote, Last-Minute-Schnäppchen, Frühbuchrabatte, klassisches Pauschalreisen, Sicherheit des All-Inclusive, usf. geht, ist im neuen Tourismus das Finanzielle keine Frage mehr, sekundär: Exotische, seltene, außergewöhnliche Freizeit- und Urlaubsangebote, auch Events dürfen, ja müssen ‚etwas kosten’. Während im traditionellen Tourismus die Idee der Masse dominiert und sich der Teilnehmer unter Gleichgesinnten wohl fühlen und mit durchschnittlichen Erwartungen kommen und mit durchschnittlichen Angeboten zufrieden gestellt werden kann, wird im neuen Luxustourismus die Idee der Individualität geradezu zelebriert: Kleine und kleinste Reisegruppen, ein eindrucksvolles Verhältnis von Reiseleitung zu Reisegruppen¬mit¬gliedern, individuelle Betreu¬ung, persönliche Begrüssungen, ein „Rund um die Uhr Dasein“ für den Urlauber, von den Trettpfaden der normalen Reisenden bewusst abweichende Routen, das Modulprinzip von Angeboten, aussergewöhnliche Möglichkeiten, sich vor Ort und während der Reise mit speziellen Zusatzangeboten zu amüsieren, individuelles und flexibles Eingehen der Reiseleiter auf die Wünsche der Teilnehmer, – kurz, keine Reise soll wie die andere und schon gar nicht die vorherige sein.

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Das CBR-Tourismussymposium 2002 wird dieser Frage - wie immer in theoretischen Vorträgen von Tourismusfachleuten und -forschern und praktischen Beiträgen von Touristikern nachgehen. Der Spannungsbogen der Referate wird wie folgt aufgebaut sein:

(1) Der neue Dekan des Fachbereiches Tourismus der Fachhochschule München, Prof. Dr. Karlheinz Zwerenz, befasst sich in seinem einführenden Vortrag mit der Frage, welche Zyklen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung, die für die Touristikindustrie von Bedeutung sind, zu beobachten waren und sind, und welche Wechselwirkungen zwischen der technologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung von Volkswirtschaften herausgearbeitet werden können. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht der Wandel von der Technikzentriertheit zur Orientierung auf den Menschen und von den materiellen zu den immateriellen Werten wie Gesundheit, Selbstverwirklichung, Glück und Zufriedenheit, Lernen und Bildung. Die Auswirkungen dieser neuen Phase oder Welle, als „6. Kondratieff“ nach dem russischen Wissenschaftler Nefiodow bezeichnet, auf den Tourismus und seine sich verändernden Angebote werden beleuchtet – wobei ein wichtiger Gesichtspunkt das Gesamt der auf Gesundheit und Wohlergeben abzielenden Reise- und Urlaubsangebote sein wird.

(2) Der Tourismushistoriker und Dozent am Institut für Tourismus der Freien Universität Berlin, Priv.-Doz. Dr. Hasso Spode (auch Herausgeber des einzigen Jahrbuches für Reiseforschung und Tourismuswissenschaft – „Voyage“) wird daran anschließend einen Blick in die Geschichte des Reisens unternehmen und aufzeigen, welche bemerkenswerten früheren Phasen des Reisens aus sozialen Motiven heraus – Reisen als Prinzip, oder wie die Soziologen sagen, als Mittel sozialer Distinktion – es gegeben hat und wie schon früher versucht worden ist, das Urlauben als eine Möglichkeit „feiner Unterschiede“ zu verstehen. Daran anschliessend befasst er sich mit der Frage, ob und inwieweit es jetzt im ersten Dezennium des neuen Jahrtausends ähnliche oder andere Entwicklungen im Reisen gibt, ob das sog. „post-moderne“ Reisen typischerweise ein immer individuelles ist, oder ob dies nur eine überschätzte Spielart ist.

(3) Von der Geschichte in die Gegenwart: Prof. Dr. Jürgen Schmude, Wirtschaftsgeograph und Tourismuswissenschaftler (und übrigens auch ein Spezialist für die neuen Erlebniswelten der Musicals), Lehrstuhlinhaber am Institut für Geographie der Universität Regensburg, befasst sich in seinem Vortrag „vom Massen- zum Luxusurlaub“ mit Trends und Entwicklungen im deutschen deutschen Reiseverhalten. Er bringt Beispiele für verschiedene Formen von Luxustourismus, bestimmt die Bedeutung dieses Marktes und wagt Prognosen darüber, welche Zukunft dem Markt der Luxusreisen bestimmt ist, wobei auch konjunkturelle und politische Faktoren mit einbezogen werden und die Frage nach der latenten „Reiseangst“ der Deutschen beantwortet werden soll.

(4) Einen eindrucksvollen Überblick über „Reise-Angebote der Extraklasse“ unternimmt die bekannte münchener Reisejournalistin Heidi Ganser. In Wort und Bild werden einige der bemerkenswertesten und neuesten Angebote auf dem Reisemarkt vorgestellt, die in die Tiefsee oder in den Weltraum, in Wüsten oder auf private Trauminseln, in exotische Luxushotels und verschwenderisch ausgestattete Villen oder auf die schwimmenden Inseln der neuen Kreuzfahrtgeneration führen. Alles scheint möglich zu sein und für alles scheint es Angebote und Nachfrage zu geben: Städte-, Event-, Tauch, Jagd-, Golfreisen usw.usf. Gansers These: Die deutschen Urlauber werden immer anspruchsvoller. Und: Hauptsache, das Reiseziel ist ausgefallen, weit weg, exotisch und edel.

(5) Als erster Vorstellung einer Destination, auf die die neuen Trends zutreffen, wird der General Manager der Erlebniswelt „Discovery Cove“ in Orlando-Florida, Frank Murru (der auch ausgebildeter Meeresbiologe und Spezialist für Großaquarien ist), das Konzept eines einzigartigen Eintagesausflugs in ein Delphinparadies im Herzen des Fun-Belts von Florida vorstellen. Dort, wo es scheinbar schon alles an Erlebniswelten gibt, hat man es geschafft, wieder einmal etwas Neuartiges zu konzipieren. Die unmittelbare Begegnung mit Delphinen, Stachelrochen und anderen Meerestieren und steht im Mittelpunkt dieses Angebotes, das nicht nur durch individuelle Betreuung und Exklusivität von sich reden gemacht, sondern auch als das anspruchsvolle all-inclusive-Erfolgsmodell in Florida gilt. Discovery Cove ist wie das danebengelegene SeaWorld ein Teil der Anheuser-Busch-Freizeitpark-Gruppe. (Der Vortrag wird in deutscher Sprache gehalten.)

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(6) Eines der traditionellen Gebiete für den individualisierten Urlaub ist sicherlich die Safari in der ostafrikanischen Savanne. Wie dieses Ziel heute aussieht, und welche Möglichkeiten es für die Reisegäste gibt, ihre individuellen Wünsche erfüllt zu bekommen, wird der Geschäftsführer von Globetrotter Reisen, München, Klaus Cholewa, einer der Spezialanbieter für dieses Segment in seinem Vortrag „Individuelle Safari – ein klassiches Reisesegment mit Zukunft?“ beleuchten.

(7) Wellness, Fitness, Gesundheit ist einer der Pfeiler des aktuellen Touristik¬aspektrums. Entgegen landläufiger Meinung ist dieser Bereich nicht einfach mit Ruhe und Aus- und Abspannen gleichzusetzen, sondern beinhaltet viele und ganz unterschiedliche aktive und passive Angebote ganzheitlicher Körperorientierung. Viele Anbieter haben sich schon auf den neuen Touristen umgestellt, der sich ganz individuell sein Paket des Wohlfühlens zusammenstellen will. Thomas Götz, langjährig erfahrener Hotelkaufmann und derzeit Geschäftsführer des Krumbades (Schwabens "Ischia") in Krumbach, will die aktuellen Trends beschreiben und die Notwendigkeit für Anbieter im Kur- und Gesundheitssektor herausstellen, neue kreative Marketingformen zu entwickeln und nachdrücklich durchzusetzen. Es geht darum, die veränderten Wünsche und reiseentscheidenden Motive der deutschen Gesundheitsurlauber ernst zu nehmen. Beispiele aus dem Krumbad sollen beleuchten, wie dies erfolgreich geschehen kann.

(8) Im letzten Vortrag befasst sich Klaus Gengenbach, Betriebswirtschaftler, der früher die Markteinführung von DERTOUR verantwortlich geleitet hat und seit 1990 die Marketingabteilung vom Club- Robinson führt, mit dem grossen Wunsch der Deutschen nach Freiheit im Urlaub. In seinen „Gedanken zur wertvollsten Zeit des Jahres“ befasst er sich mit den gerade bei Cluburlaubern sichtbar werdenden Wünschen nach mehr Erlebnis, mehr persönlicher Freizeit, mehr Wahlmöglichkeit. Dies ist für ihn der wahre Luxus, den Menschen im Urlaub suchen, nicht die Möglichkeit, teure Luxusprodukte konsumieren zu können. Individualisierung Luxus im Urlaub - das ist die Freiheit, jeden Urlaubstag ganz nach den eigenen, wechselnden persönlichen Vorlieben gestalten zu können, und es scheint, dass das erfolgreiche Clubmodell sehr gute Voraussetzungen dafür bietet, den Menschen damit ein Urlaubsglück garantieren zu können.

Nach jedem Vortrag ist die Möglichkeit zur Diskussion geboten. Die Referenten bleiben bis zum Ende der Veranstaltung anwesend; es besteht auch die Möglichkeit, beim abschliessenden Stehempfang Kontakte zu knüpfen, Informationen auszutauschen und weiter zu diskutieren. Zusätzlich wird es für die Teilnehmer einen kleinen Büchertisch mit ausgewählter Fachliteratur geben.

Moderiert wird die Veranstaltung von dem münchener Tourismus¬wissenschaftler Dr. H. Jürgen Kagelmann, Dozent an der Ludw.Max. Universität, Abt. f. Organisations- und Wirtschaftspsychologie, und an der Kathol. Universität Eichstätt, Abt. f. Kulturgeographie. Dr. Kagelmann hat zusammen mit Willy Ratzinger von der Agentur BWR die Konzeption der CBR-Tourismussymposien entwickelt, die seit fünf Jahren mit steigenden Besucherzahlen durchgeführt werden. In seiner Agentur „Erlebnis + Trend“ berät er Betreiber von Erlebniswelten und Freizeitparks und führt qualitative Marktforschung für Touristik- und Freizeitunternehmen durch. Dr. Kagelmann ist auch Spezialist für Reiseliteraturforschung und hat gemeinsam mit Martina Guthmann M.A. die Idee der nutzerorientierten „Reiseführeranalyse“ RFA entworfen.

Weitere Hinweise zum Symposium und zu den Referenten über AraKA, Dr. Kagelmann, Tel. 089 70 49 24, Fax Tel. 089 70 13 47, eMail: profil1kagelmann@t-online.de; jkagelmann@gmx.de Zur Organisation des Symposiums, Anmeldungen etc bei AraKA, BWR-Agentur, Tel. 089 743 44 60, fax 089 – 760 76 86 EMail: AgencyBWR@t-aol.com

(Dr. H. Jürgen Kagelmann/AraKa, 26.10.01)
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