8. C-B-R Tourismus Symposium 2005
Neue Wege im Kultur-Städte-Tourismus. Zum Thema des 8. C-B-R-Tourismus-Symposiums
Dr. H. Jürgen Kagelmann & Willy Ratzinger
Der Städtetourismus boomt nach wie vor, ein Ende ist nicht abzusehen. Wirtschaftliche, politische und andere Gründe haben dazu geführt, dass
gerade Kurzreisen in die deutschen Metropolen und internationalen Städtedestinationen in den zurückliegenden Jahren enorm an Bedeutung gewonnen haben1.
Heute ist der Städtetourismus sicherlich einer der Hoffnungsträger des Tourismus, neben Wellness- und Kreuzfahrttourismus. Der Städtetourismus von
heute ist aber nicht mehr mit dem früherer Jahrzehnte zu vergleichen:
- Der Kulturbegriff hat sich gewandelt und stark erweitert. Das, was viele Menschen in den Städten suchen, ist Kultur - aber nicht mehr nur klassische
Bildungskultur, sondern alle Formen populärer Kultur und Unterhaltung.
- Der „Horizont“ der Reisenden hat sich gewandelt. Der Konsument von heute ist der „erfahrene“ Reisende, der vieles gesehen, erlaufen, erfahren hat und der
ständig auf der Suche nach Neuem ist; das bieten die Städte.
- Das Anspruchsdenken der Reisenden hat sich verändert: Der Terminus des „multioptionalen“ Konsumenten meint zutreffend, dass die Touristen heute eine
Vielfalt erwarten, aus denen sie nach aktuellen Bedürfnissen, nach Lust und Laune etwas aussuchen können. Das postmoderne Reiseziel ist das, das vieles
bietet und die Städte wetteifern damit, immer mehr und Verschiedenes anzubieten: Kultur, Natur (Parks, Gärten, Wasserwege), Unterhaltung, Bildung,
Events. Und das für alle Schichten, Altersgruppen, Lebensstile.
- Ein neues Denken von Mobilität ist gerade auf den Städtetourismus zugeschnitten: jüngere Veränderungen, etwa die Angebote der Low cost-Airlines,
haben gezeigt, dass die vergleichsweise einfache, bequeme Erreichbarkeit von Metropolen, aber auch anderer Städte, für viele Menschen mindestens ein
kompletementäres Reisemotiv sein kann; mehr noch, daß „Städte bisher zweiter Wahl“ durch die günstiger und bequemer gewordenen Reiseverbindungen stark
an Beachtung und Attraktivität gewinnen.
- Der Mensch von heute sucht aber auch Orientierung in der Angebotsvielfalt: thematische Strukturierung und Akzentuierung; dies wird in den Städten durch
kulturbezogene Aktivitäten („Kulturhauptstadt“), Themenführungen u.v.a.m. realisiert.
- „Spaß“, oder besser gesagt: „Unterhaltung“, ist das, was viel deutlicher als früher nachgefragt wird - und das können Städte in hervorragender
Weise in einem manchmal atemberaubenden Umfang und in enormer Auswahl bieten; dabei auch mit hybriden Angeboten experimentieren, wie etwa die auf Edutainment
abzielenden Science Centers.
- Die Vielfalt der Städte und ihrer Kultur ermöglicht es aber den Menschen auch in hervorragender Weise, speziellen Interessenslagen nachzugehen,
sich etwa mit Architektur, Geschichte, Mode, regionaler Gastronomie, dem Sportgeschehen, religiösen Angeboten usf. zu beschäftigen.
- Die neue „Eventkultur“ mit ihren großen (Fußball-WM) und kleinen, ständig wiederkehrenden Festen (Oktoberfest) und einmaligen Ereignissen (Weltjugendtag;
Christo-Aktionen) schärft das attraktive Image von Städten immer wieder neu. Besondere Aktionen und Inszenierungen schaffen es, das sich ständig
wandelnde Bild von „Stadt“ per se herauszuarbeiten und das unbegrenzte Potential der Städte aufzuzeigen, zur kulturellen Vielfalt für Alle beizutragen
(sehr bedeutsam: das Konzept der Europäischen Kulturhauptstädte, dem in diesem Symposium besonders nachgegangen wird). Ein attraktives Angebot für
Touristen zu schaffen bedeutet gleichzeitig die Weiterentwicklung der zu einer besseren Lebensqualität beitragenden Freizeitangebotes für die einheimischen
Bürger.
- Nicht zu vergessen: der heutige Reisende ist immer häufiger ein Hybridtourist, der seine Vorlieben, Interessen, seine Freizeit- und Urlaubsaktivitäten
manchmal wechselt wie ein Chamäleon. Der Städte-Kultur-Tourismus heute das herausragende, vielleicht beste Symbol für den neuen, den postmodernen
Touristen des ersten Jahrhunderts des dritten Jahrtausends.
Viele Städte haben sich ein schon unverwechselbares Image erworben, viele arbeiten hart daran, ihr Angebot, ihr Image, ihre kulturellen Facetten zu erweitern.
Das Symposium befaßt sich mit diesem Bedeutungswandel. Es soll Grundlageninformationen über die aktuelle Bedeutung des Städtetourismus vermitteln und es soll
Konzepte von Städten aus Deutschland und Europa vorstellen, die mit neuen Selbstbildern und neuen Marketingstrategien in einer schwierigen Zeit Erfolg haben.
Die Idee ist, von den erfolgreichen Destinationen zu lernen. Von besonderer Bedeutung dafür ist gerade in diesem Jahr der Wettbewerb um die deutsche Kandidatur
für die Wahl zur europäischen Kulturhauptstadt 2010. Die Hoffnungen und Erwartungen, die sich damit verbinden, aber auch die Erfahrungen, die andere
Städte mit der erfolgreichen Realisierung einer Kulturhauptstadt gemacht haben, sind ein zentraler Punkt der Vorträge auf diesem Tourismus-Symposium.
1 Vgl. Reinhard Bachleitner, H. Jürgen Kagelmann (Hg.) (2003). Kultur/Städte/Tourismus. München, Wien: Profil
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