Reiseprognose 2003

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In welche Länder wird es gehen?
Weniger in die Ferne: Die Gewinner sind einmal die Nahziele, die mit dem PKW zu erreichen sind - "erdgebundene Ziele" nennt das die Branche. So sieht das zum Beispiel Heinz Kolata von Woters Reisen. Deutschland soll weiter zulegen, ja ein Trendreiseziel werden. Man gibt das Reisen nicht auf, aber, Hand auf Herz, in der näheren und mittleren Umgebung des eigenen Wohnortes fühlt man sich doch sicherer. Ja, und im eigenen PKW wähnt man sich auch sicherer als im Flugzeug.

In Europa verschiebt sich das Interesse. Insgesamt entfielen 66 Prozent aller Expertennennungen auf Europa. Der Osten Europas, oder präziser formuliert, einige bestimmte Gebiete dort werden im kommenden Jahr zu den Trendreisezielen der Deutschen gehören. Innerhalb Osteuropas sehen die Experten vor allem Kroatien und Bulgarien als Topreiseziele für das kommende Jahr. Die Experten aus der Reise-Industrie stimmen in diesem Punkt überein. Ein Grund für den alles andere als überraschenden Trend sei neben den noch vergleichsweise günstigen Preisen sicherlich der Wunsch, die noch so unbekannten künftigen EU-Partner kennenzulernen. Dies ist eindeutig als Ausdruck der (in Deutschland ja grassierenden) wirtschaftlichen Besorgnisse zu werden. Wir haben zwar keine Wirtschaftskrise, aber tun so, als hätten wir eine, also wird sich auch das Reiseverhalten danach ausrichten - man fährt in Billigländer, oder solche, die als billig wahrgenommen werden.

Und die Sonnen-Strand-Ziele? Nach wie vor bleibt Südeuropa an der innereuropäischen Spitze. Die Türkei, Spanien, Italien und Griechenland werden in dieser Reihenfolge als (nach wie vor) gefragte Reiseziele eingeschätzt. Auch hier sehen wir eine Verschiebung zum "etwas billigeren" Land - eine Entwicklung, die sich über die letzten zwei Jahre schon abzeichnete: Nach der Einführung des Euro ist die Mögichkeit von Preisvergleichen unmittelbar gegeben und viele Menschen stellen fest, dass es in Spanien, Portugal, Italien gar nicht soo billig ist - weshalb jetzt und in Zukunft die anscheinend preiswerteren Länder Türkei und Griechenland etwas höher bewertet werden. Denn an der Lust der Deutschen, sich am sonnigen Strand zu räkeln, im Wasser eines ordentlichen Hotelswimmingpools zu platschen, am Bufett verwöhnen zu lassen, wird sich nicht allzu viel ändern, wenngleich die Hoch-Zeit der Teutonengrillzeit sicherlich passé ist, und man mehr "Erlebnis"vom Urlaub erwartet. " Alle Reisen, die nicht nur Sonne, Sand und Strand zum Ziel haben, sondern Entspannung und Erholung mit interessantem Programm verbinden, werden daher an Bedeutung gewinnen", so darf Dr. Dietsch, von Studiosus Reisen zitiert werden.

Und die Loser? Rückläufig werden die Buchungszahlen im asiatischen Raum sowie in Nordafrika prognostiziert.

Zu den asiatischen Ländern, die im Jahr 2003 sicher weniger nachgefragt werden, zählen unter anderem Bali und Thailand. Hier fallen allerdings die Expertenmeinungen auseinander. (Thailand z.B. wird sehr kontrovers gesehen). Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Meinungen sieht einige Überraschungsziele wie Burma (Nyanmar) und Vietnam im Kommen, ja vielleicht sogar diese Länder als die chancenreiche Anwärter für die Shooting-Stars des kommenden Jahres. Buddhistisch geprägte Länder scheinen noch eher dem Anti-Exotismus-Trend zu widerstehen als andere.

Über die islamisch geprägten Länder braucht man gar nicht zu reden; sie sind schlicht "out". Die fast einhellige Meinung aller Befragten zielt auf die islamischen Länder ab. Lediglich die Türkei, sollte es keinen Krieg geben, wird sich nach seiner Ansicht aus dieser allgemeinen Sogwirkung fernhalten können, so die Prognose der Experten im Dezember 2002.

In Afrika sieht man schwere Probleme für Tunesien, Marokko und Ägypten (so zum Beispiel Heinz Kolata von Wolters). Als "katastrophal" bezeichnet Ulrich Flörsch (Direktor Sales und Marketing Calimera, Primasol, LTI-International Hotels) den Buchungsverlauf in Marokko, Tunesien und Ägypten.

Relativ einhellig fällt dagegen die positive Bewertung für Südafrika aus - zumindest bei den Vertretern der Reiseindustrie; nicht ganz billig, aber, so schätzt man, vielleicht noch das interessanteste afrikanische Reiseland für 2003, möglicherweise ein touristischer "shooting star". Branchenanalysten geben bei den richtig hochwertigen Reisezielen da eher dem Indischen Ozean und Australien die besseren Karten.

Und Nordamerika? Auch die USA müssen nach Einschätzung der Experten mit Einbußen rechnen.

China Was sich bei Studiosus Reisen offensichtlich schon länger als Trend abzeichnet (Trend 2003 "wieder mal China", so Dr. Klaus A. Dietsch von Studiosus Reisen, scheint auch langsam auf die breite Masse der Reisenden zuzutreffen. China ist im Kommen, China ist ein Reisetraum, den man sich gerne erfüllen wollte, sollte es die Reisekasse jemals hergeben. ( vgl. hierzu auch die Studie Reisen und Lesen Sommer 2002 von G+K Erlebnis+Trend).

Terrorangst?
Welche Auswirkungen auf das Reiseverhalten der Deutschen haben die Terroranschläge der letzten anderthalb Jahre? Mittelgroß , meinen die meisten Experten. Vor allem Krisenregionen müssen demnach mit erheblichen Verlusten rechnen. Man sieht die diesbezüglichen Auswirkungen weniger bei der Reiseintensität, als vielmehr bei der Wahl der Reiseziele auf sich zukommen. Langfristig wird sich der Markt nach Einschätzung vieler Experten jedoch wieder erholen - was das aber genau in Jahren bedeutet, da will man sich nicht so genau äußern - es ist schwierig geworden, die neue Qualität des Terrors einzuschätzen. Dass man nicht nur auf die automatische Vergesslichkeit der Menschen vertrauen kann, die in früheren Jahren häufig schon sehr bald nach Naturkatastrophen, Unglücken, Bürgerkriegen die davon betroffenen Regionen wieder touristisch aufsuchen, ist doch in vielen Etagen der Touristikindustrie schmerzlich klar geworden. "Unsicherheit macht reisemüde, da bleibt man lieber in der Nähe", so fasst Cornelia Engeman vom Bayerischen Pilgerbüro zusammen, hier hat man von den Verhaltensänderungen der Deutschen eher profitiert. Andererseits ist es erstaunlich, dass zum Beispiel in Folge der Terroranschläge auf Bali kaum Umbuchungen zu verzeichnen waren.

Wirtschaftsangst?
Dennoch: Knapp zwei Drittel aller Befragten - und das ist eine Menge - sind explizit der Ansicht, die wirtschaftliche Situation beeinflusse das Reiseverhalten der Deutschen sehr viel stärker als die Terroranschläge.

Untern Strich begründet sich die Flaute " vermutlich in einer Kombination aus beiden Einflussfaktoren", "wobei die wirtschaftliche Situation zu überwiegen scheint." Wer als Psychologe an das Verhalten der Reisenden bzw. Reiseintereessierten herangeht, sieht "eindeutig die gefühlte persönliche wirtschaftliche Lage" als zentralen Einflußfaktor auf die Reisentscheidung. Dies ist gut gesagt, denn es drückt in knappen Worten die vielleicht für Deutschland und deutsche Mentalität ganz besondere Krisensituation der Reisebranche aus.

Und was macht man zukünftig im Urlaub?
Bei den Reiseformen scheint es zwei Entwicklungen zu geben: einmal hin zu "special interest"-Reisen. Der Urlaub ist nicht mehr nur "pure Erholung", "Ausruhen, Entspannen, Abschalten", sondern im Urlaub will man etwas Vernünftiges tun. Aktivurlaube (mit Sport und Fun), Städtereisen (mit hoher und populärer Kultur, sightseeing und Entertaiment), Studienreisen sowie genannt. Vielleicht ein bisschen Wertewandel? Oder auch ein bisschen "Man gönnt sich sonst gar nichts"? - denn auch Kreuzfahrten könnten, den Trend der letzten Jahre fortsetzend, ein Gewinner werden.

Und der zweite Trend ist der Wellness-Urlaub. Die Mehrheit der befragten Experten, dieses touristische Segment mit seinen vielen Facetten könnte zum großen Sieger 2003 werden. Vor allem für die Vertreter der Reiseindustrie stellt Wellness jedenfalls den Hoffnungsträger Nr. 1 dar. So setzt zum Beispiel die TUI voll auf das zunehmende Gesundheitsbewußtsein. - Allerdings soll man nicht vergessen, dass ein zufriedenstellender Wellnessurlaub auch seinen Preis hat - und deswegen wird man hier wieder ein bisschen relativieren müssen, denn es bleibt die Frage, ob das Wellnesssegment in Zeiten knapper Kassen für alle Geldbeutel genügend differenziert ist.

Viele Insider prognostizieren daher in gewisser Weise die Zwei-Klassengesellschaft in Sachen Reisen, wenn er auf die an Bedeutung gewinnenden Urlaubsformen angesprochen wird: Billige Reisen einerseits und hochwertige Reisen andererseits.

Industrieunabhängige Branchenanalysten und Tourismusforscher geben dem Städtetourismus besonders gute Chancen. Die kroatische Stadt Dubrovnik wird von verschiedenen voneinander unabhängigen Fachleuten als Geheimtipp mit besten Karten gehandelt. Die Praktiker hoffen, dass neben Dauerbrennern wie "Shoppen in London" zum Beispiel Lissabon Überraschungssieger in 2003 werden.

Zurecht wird aber auch das Thema "Erdgebundenheit" als Reiseform im Trend betont, für manches Reisesegment eine reelle Gefahr, für andere Länder eine echte Chance. "Die Möglichkeit zum Sich-Selbst-Entdecken bei Aktivitäten wie dem Wandern" ist sicherlich nur ein Beispiel für den allgemein sich abzeichnenden Megatrend " Weniger ist mehr".

Das Interesse am Nahziel gibt auch Pkw-Reisen zu Ferienhäusern in Deutschland und Anrainerstaaten wieder eine reelle Chance könnten ein Überraschungssieger 2003 werden.

Sicherlich war es selten schwieriger als heute, Tendenzen und Trends einzuschätzen als für den Reisemarkt 2003, gerade auch denjenigen, die sich in ihrer Unsicherheit gar nicht an der Studie zu beteiligen wagten. Was spannend bleibt, ist, dass es den Anschein hat, als entsprängen, Phönix aus der Asche gleich, ganz neue Perspektiven für den Reisemarkt aus grenzwertig erscheinenden Krisensituationen, so das Fazit der spannenden Studie.

"Sicherlich werden sich die Trendziele dieses Jahres weiterentwickeln wie Bulgarien. Kroatien, Südafrika wie auch in kleinem Umfang nordische Länder, Golf- und Wellness-Reisen. Ansonsten gibt es genug Überraschungen in unserem täglichen Leben, da entscheiden sich Konsumenten gerade was Urlaub angeht, eher für Gewohntes, Bekanntes, Beliebtes", so darf ein Branchenalyst zitiert werden, der anonym bleiben möchte.

Wirkliche Überraschungen wird es dabei wahrscheinlich für die Fachleute doch nicht geben, "es sei denn Fidel Castro stirbt und Cuba öffnet sich, das US-Embargo würde fallen." Dieses Zitat ist kennzeichnend für den Galgenhumor einer bislang als krisensicher eingeschätzten Branche in einer unberechenbar gewordenen politischen und wirtschaftlichen Welt.

Vielleicht, steht ja auch dem Reiseführermarkt ein Revival bevor: dem Arm-Chair-travelling.
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